DJV: Wie kam die Idee, das Netzwerk Kitzrettung zu gründen?
Lassau: Die Kombination aus Drohne und Wärmebildkamera hat mich interessiert, ich wollte den Praxistest machen. Doch zunächst war das finanziell nicht möglich. Also haben wir das Projekt den Stadtwerken vorgestellt. Diese waren sofort begeistert und finanzierten eine Drohne. Mit einem Freund zusammen haben wir das Projekt „Netzwerk Kitzrettung“ in der Unternehmenszeitung publik gemacht und die Aktion auf einer Jagd im Dezember letzten Jahres angekündigt. 18 Drohnenpiloten haben sich freiwillig gemeldet. Zwei Jäger waren dabei, der Rest kam von außen. Das zeigt die Akzeptanz in der Bevölkerung. Anschließend habe ich alle zu einem Infoabend eingeladen und wir haben uns gegenseitig kennengelernt.
Und in diesem Frühjahr haben Sie einfach Kitze gerettet?
Nein, so einfach war das alles leider nicht. Es gab viele Hürden und Anläufe. Wann darf man fliegen? Wo darf man fliegen? Wie ist der Abstand zur Bahn? Davon darf man sich aber nicht entmutigen lassen. Der große Vorteil war, dass wir einen Informatiker in unserer Truppe haben. Er hat die beste Drohne und die beste Technik rausgesucht. Es hat lange gedauert bis das System ausgetüftelt war. Mal ist der Funkkontakt abgebrochen, mal gab es einen Totalausfall. Aber schließlich hat es geklappt.
Wie läuft die Kitzrettung ab?
Einen Tag vor der Mahd werden die Koordinaten vom Landwirt durchgegeben. Unser Programmierer erstellt dann eine Flugroute für die Drohne – das geht so ähnlich wie bei Googlemaps. Am nächsten Tag fliegt diese ihre vorprogrammierte Mission. Ist der Akku leer, der gut zwanzig Minuten hält, kommt sie von selbst zum Ausgangspunkt. Wir sind dann zu zweit oder zu dritt, also Drohnenpilot und ein bis zwei weiteren Personen, die ebenfalls einen Monitor in der Hand halten und ein Auge auf die Wärmebildkamera werfen. Das kann wirklich anstrengend sein! Durchschnittlich fliegen wir etwa bis 9 Uhr. Danach ist es zu warm, die Kamera kann dann beispielsweise einen Maulwurfshügel nicht mehr von einem Wildtier unterscheiden.
Was tun Sie, wenn Sie ein Kitz finden?
Fällt eine Wärmesignatur auf dem Bildschirm auf, steuert einer unserer Drohnenpiloten manuell den Punkt an. Je näher die Drohne kommt, desto besser ist auf dem Bild zu erkennen, ob es sich um ein Jungtier handelt oder nicht. Bei so einem kleinen Kitz sieht man sogar das Herz auf dem Wärmebild pochen. Die Helfer laufen zum Punkt, an dem die Drohne in der Luft steht. Oft ist das Tier direkt vor uns – und wir sehen es trotzdem nicht. Kitze sind einfach so gut getarnt! Haben wir das junge Reh, stülpen wir einen Wäschekorb drüber, den wir mit Gras abdecken, damit sie es schön schattig haben. Ist die Mahd vorbei, kontaktiert uns der Landwirt und wir lassen das Rehkitz wieder frei. Gestern haben wir das neunte Kitz innerhalb einer Woche gerettet. Wir sind hochmotiviert durch diesen tollen Erfolg!
In Ihrem Netzwerk treffen Technik-Freaks auf Naturburschen. Wie klappt das?
Wir wollen alle das Gleiche – Kitze retten! Was meinen Sie, wie begeistert die Landwirte sind, wenn Sie die Drohnen am Himmel fliegen sehen und anschließend die geretteten Kitze. Wir sprechen jetzt schon davon, eine zweite Drohne anzuschaffen, da wir leider schon einige Einsatzanfragen absagen mussten. Manchmal müssen wir auch absagen, weil die Landwirte sehr spontan sind. Wir sind eben alle berufstätig. Jäger und Landwirte leisten manchmal auch schon gute Vorarbeit: Sie vergrämen Wiesen am Vorabend mit flatternden Fahnen und knisternden Alufolien. Dann bringt die verunsichterte Ricke ihren Nachwuchs meist in Sicherheit und wir treffen keine Kitze mehr an.