Hamburg, 12. Januar 2024. Die Wiederausbreitung der Europäischen Wildkatze (Felis silvestris) in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Gründe dafür sind unter anderem einige milde Winter in Folge und die Auflichtung von dunklen Nadelwäldern zum Beispiel durch Stürme der rund letzten 20 Jahre. Durch sie sind viele Versteckmöglichkeiten wie unaufgeräumte Lichtungen entstanden, in denen Wildkatzenmütter bevorzugt ihre Jungen aufziehen. Auch der Bau weiterer Querungshilfen wie Wildbrücken an Schnellstraßen hat vermutlich zur Ausbreitung der Art beigetragen – wandernde Wildkatzen sind stark gefährdet durch den Straßenverkehr.

Ausgehend von ihren letzten Rückzugsgebieten in Mittelgebirgsregionen wie Pfälzerwald, Eifel, Reinhardswald, Harz und Solling hat sich die Europäische Wildkatze somit viele Lebensräume zurückerobert. Mittlerweile reicht den Tieren der Platz in den Wäldern der Mittelgebirge nicht mehr aus – immerhin beträgt das Streifgebiet eines Katers mindestens 30 Quadratkilometer. Und so sind immer mehr Wildkatzen auch im Flachland auf der Suche nach neuen Revieren. Inzwischen kommen sie sogar dort vor, wo man sie nie wieder vermutet hätte: etwa in der Rheinebene, in der Rhön, aber auch im Norddeutschen Tiefland von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg.

Vor allem in der Ranzzeit, die jetzt im Januar begonnen hat, legen die Katzen auf der Suche nach einem Partner weite Strecken zurück. „Wildkatzen nutzen als neuen Lebensraum zunehmend auch kleinere Waldgebiete und versteckreiche Strukturen fernab der Mittelgebirge, häufig in Siedlungsnähe. Hier stoßen sie auf freilaufende oder verwilderte Hauskatzen – und das ist problematisch“, sagt Malte Götz, Biologe bei der Deutschen Wildtier Stiftung.

Denn Haus- und Wildkatze können sich verpaaren und fruchtbare Nachkommen zeugen, sogenannte Hybride. „Eine zunehmende Hybridisierung gefährdet das Erbgut der streng geschützten Europäischen Wildkatze. Es besteht die Gefahr, dass evolutionäre Anpassungen der hier heimischen wilden Art durch Gene von Hauskatzen, die ursprünglich von der Afrikanisch-Asiatischen Falbkatze, Felis lybica, abstammen, verloren gehen“, sagt Götz.

Bisher ermittelten Naturschutzgenetiker für die zentraleuropäischen Wildkatzen einen sehr geringen Anteil solcher Hybride. „Noch gehen sich die beiden Arten in großen Waldgebieten, in denen viele Wildkatzen leben, also erfolgreich aus dem Weg“, so Götz. Für einzelne Gebiete in Baden-Württemberg, die von Wildkatzen wiederbesiedelt wurden, weisen neuere Untersuchungen aber bereits alarmierende Ergebnisse auf: Hier wurden Hybridisierungsraten der untersuchten Katzen von über 50 Prozent festgestellt. Auch in Sachsen-Anhalt, wo die Deutsche Wildtier Stiftung die Lebensraumansprüche von Wildkatzen in typischen Lebensräumen des Tieflandes untersucht, nimmt die Anzahl registrierter Hybride fernab der Harzwälder zu. Bislang handelt es sich noch um Einzelfälle. Schreitet die Hybridisierung aber fort, würden die jahrzehntelangen Anstrengungen für den Erhalt der Wildkatze zunichtegemacht.

„Die Besitzer der rund 15 Millionen Hauskatzen in Deutschland können bestimmt verstehen, dass es uns ein großes Anliegen ist, die einzigartige Europäische Wildkatze mit nur wenigen Tausend Exemplaren hier zu erhalten“, sagt Malte Götz. „Daher bitten wir um Mithilfe von Katzen-Liebhabern: Wer jetzt seine freilaufende Hauskatze im ländlichen Raum sterilisieren lässt, unterstützt den Schutz der Europäischen Wildkatze in Deutschland.“ Bis Ende Februar ist die Ranzzeit der Wildkatzen, und die Sterilisation sollte rasch erfolgen, sodass eine mögliche Verpaarung folgenlos bleibt.

>Deutsche Wildtier Stiftung