Forscher der Universität Göttingen haben knapp drei Dutzend Vorkommen untersucht. Größte Hindernisse für Genfluss sind Straßen, Siedlungen und rotwildfreie Gebiete. DJV fordert 50 Millionen Euro pro Jahr für Vernetzung von Lebensräumen. |
(Berlin, 16. März 2022) Forscherinnen und Forscher an der Universität Göttingen haben die genetische Vielfalt von 34 Rothirsch-Vorkommen in Deutschland untersucht und dafür 1.110 Proben ausgewertet. Erschreckendes Ergebnis der von Deutschem Jagdverband (DJV), Landesjagdverband Sachsen-Anhalt und weiteren Verbänden geförderten Studie: Nur zwei Vorkommen erreichen eine genetisch-effektive Populationsgröße von mehr als 500 Tieren, die langfristig vor Inzucht schützt. Fast alle an der Abteilung Wildtierwissenschaften untersuchten Vorkommen sind voneinander isoliert, der genetische Austausch zwischen den meisten Vorkommen ist sehr gering. Dementsprechend ist der ermittelte Inzuchtwert in den Vorkommen oftmals so hoch wie bei Verpaarungen zwischen Halbgeschwistern oder Eltern-Kind-Verpaarungen. Straßen, Siedlungen und behördlich verordnete rotwildfreie Gebiete sind Hauptursachen für fehlende Vernetzung der Rothirsch-Vorkommen. Die Folge: eine geringe genetische Vielfalt, die gravierende negative Auswirkungen auf die Fitness einzelner Tiere hat und somit auf die gesamte Population. Unterkieferverkürzungen als direkte Folge der Inzucht in sehr isolierten Rotwild-Vorkommen sind laut DJV bereits jetzt aus Schleswig-Holstein und Hessen bekannt. „Wir fordern die Politik auf, das zehn Jahre alte Bundesprogramm Wiedervernetzung endlich mit Leben zu füllen. Im Haushaltsplan des Bundesverkehrsministeriums müssen mindestens 50 Millionen Euro pro Jahr dafür eingestellt werden“, so DJV-Präsidiumsmitglied Professor Jürgen Ellenberger. Es brauche mindestens 10 Querungshilfen pro Jahr über bestehende Verkehrswege, um Lebensräume für Rothirsch, Luchs oder Wildkatze wieder zu vernetzen. Zudem müssen laut DJV Wanderkorridore langfristig vor Bebauung bewahrt werden. Der DJV fordert, rotwildfreie Gebiete im Südwesten Deutschlands kurzfristig aufzuheben. Diese behördlich festgelegten Areale sind laut Studien ein doppelt so hohes Hindernis für den Genfluss, wie Flächen, in denen sich Rotwild frei bewegen darf. Nur im Norden und Nordosten Deutschlands, wo es keine rotwildfreien Gebiete gibt, ist häufig ein ausreichender Genfluss vorhanden. Dann bilden mehrere Rothirsch-Vorkommen eine genetische Population. Der mittlere Inzuchtwert für den Rothirsch in Deutschland ist laut den Wissenschaftlern derzeit sogar schlechter als auf der Insel Rum in Schottland. Eine Video-Präsentation zum Thema finden Sie hier. Kontakte nur für Presseanfragen: Abteilung Wildtierwissenschaft, Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie an der Georg-August-Universität Göttingen. – Katharina Westekemper, E-Mail: – Professor Dr. Niko Balkenhol, E-Mail: |