Wenn die Kinder an einem Sonntag im Mai den Frühstückstisch decken und abends der Babysitter kommt, damit Mama sich nicht ums Kochen kümmern muss, sondern im Restaurant entspannen kann: dann ist Muttertag. Dieses Jahr ist es der 8. Mai, den es zu feiern gilt. Aber das, was wir Menschen am Muttertag zelebrieren, ist in der Wildtierwelt bei einigen Arten gang und gäbe: zum Beispiel bei der kleinen Schwanzmeise. Nepotismus (lat. für Verwandtenunterstützung) heißt das Fachwort dafür, dass man sich gegenseitig unter die Arme – oder Flügel – greift.
So ist die Schwanzmeise ein besonders verwandtschaftlich vernetzter Vogel. Davon profitieren die Weibchen während der Brut- und Aufzuchtphase im Mai. Rund 14 Tage lang sitzt die Vogelmutter auf den Eiern, während das Männchen Nest und Revier bewacht und das Weibchen liebevoll füttert. „Aber ist der Nachwuchs erst aus dem Ei geschlüpft, hocken da plötzlich acht bis zwölf hungrige Küken im Nest, die höchst energisch nach Futter verlangen“, sagt Lea-Carina Mendel, Ornithologin bei der Deutschen Wildtier Stiftung. Nahezu sekündlich reißen die Kleinen dann die Schnäbel weit auf und fordern Insekten, Larven oder andere tierische Kost ein. Sie nur zu zweit zu versorgen ist viel Arbeit! Die Elternvögel fliegen daher im Akkord, um Nahrung zu beschaffen und glücklicherweise fliegen sie nicht allein.
Denn es gibt reichlich Hilfe aus der großen Schwanzmeisenfamilie. Andere füttern gerne mit und erledigen noch mehr: „Schwanzmeisen, die sich bei der Aufzucht anderer Jungvögel engagieren, kommen meist aus dem Umkreis des Brutpaares und sind an allen Versorgungsaktivitäten wie Füttern, Wegtragen von Kotballen und der Nestverteidigung beteiligt“, sagt Mendel. Bei den Unterstützern handelt sich oft um Meisen, die keine eigene Brut versorgen, beispielsweise weil sie noch zu jung sind. „Oft sind es die Jungtiere aus dem letzten Jahr, die ihre frisch geschlüpften Geschwister mit Futter versorgen und somit ihre Eltern unterstützen“, berichtet die Expertin der Deutschen Wildtier Stiftung.
Und so ist während der Brut- und Jungenaufzuchtzeit im Mai bei den Schwanzmeisen-Weibchen nahezu täglich Muttertag. Super: Die Vogelmütter müssen sich selten allein um anfallende Arbeiten kümmern. Innerhalb der Gruppe wachsen die Küken heran, die sich nach dem Flüggewerden einem immer größer werdenden Schwarm anschließen. Schwanzmeisen sind meist in Gruppen mit bis zu 30 Vögeln unterwegs. Schwärme ohne feste Reviere können auch 50 bis 300 Tiere zählen. So sieht man die kleinen weiß-rosa Federbälle mit den langen Schwanzfedern jetzt in waldähnlich strukturierten Parks oder Grünanlagen oder auch ländlichen Regionen blitzschnell und geschickt im Geäst herumturnen. Nach dem Ausfliegen aus dem Nest finden sich die jungen Schwanzmeisen noch für ein paar Wochen in einer Sitzreihe im Unterholz zusammen. Dicht aneinander gekuschelt genießen sie einen wahrhaft tierischen Familien-Zusammenhalt.