Der Wolf ist nach Sachsen zurückgekehrt und die Zahl der Rudel nimmt zu. Um nicht den Überblick zu verlieren, werden Daten gebraucht. Jäger sollen als Wildtierbeauftragte beim Sammeln helfen.
Elsterheide (dpa/sn) – Auf der sandigen Waldstraße nahe Elsterheide in der Lausitz sind die Jäger dem Wolf auf der Spur. Die Pfotenabdrücke könnten von einem stammen, gleich hinter einem Parkplatz. In einer Fahrrinne am Rand der Nadelbäume sind die Abdrücke nur noch schwer zu erkennen, weil der Sand immer trockener wird und die Ränder langsam zusammenfallen.
55 Jäger drängen sich um die Fährte – nicht etwa, um deren Urheber zu schießen, sondern um ihren Bestand festzustellen. Sie tragen teilweise Hüte mit Gamsbart und sind darauf bedacht, keine Hinweise zu zertreten. Einige machen Fotos, andere versuchen die Spuren so weit wie möglich auf der Straße zu verfolgen. Die Jäger kommen aus ganz Sachsen und lassen sich von Experten zu Wildtierbeauftragten schulen. Der Landesverband Sachsen organisiert das zweitägige Seminar gemeinsam mit dem Institut für Forstbotanik und Forstzoologie der Technischen Universität (TU) Dresden. Die Aufgabe: Im Jagdgebiet Hinweise auf Wölfe sammeln, untersuchen und dokumentieren. Flächenübergreifend sollen so fundierte Informationen über Bestand und Ausbreitung von Isegrim und anderer Wildtiere gewonnen werden.
Wölfe hinterließen eine «geschnürte Spur», erklärt Naturführer Stephan Klaasche. «Die entsteht, wenn die Tiere mit ihren kleineren Hinterpfoten exakt in die Abdrücke ihrer Vorderpfoten treten.» Sie kann aber auch bei Hunden auftreten, wenn diese rennen. Um das zu demonstrieren, schiebt Klaasche im Sand einen Streifen mit dem Fuß glatt und lässt seinen Mischlingshund Bobby darüber laufen. Der Unterschied zur möglichen Spur des Urahnen ist gering.
«Es ist ein bisschen wie Detektivarbeit», sagt Norman Stier, der Hauptreferent an diesem zweiten Schulungstag. Er ist Wolfsexperte, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Dresden und in Projekten rund um den Wolf integriert. Zusammen mit Klaasche vermittelt der 43-Jährige den Jägern, was zu tun ist, wenn Pfotenabdrücke, Losung – also der Kot der Tiere – oder gerissenes Wild gefunden werden. So lernen die Weidmänner etwa, wie man DNA-Proben nimmt. Auch der Umgang mit Fotofallen, die mit Bewegungssensoren ausgestattet sind und einen großen Datensatz liefern, steht auf dem Programm.
«Nach dem neuen Jagdgesetz müssen alle Jäger an der Erfassung der Wolfspopulation teilnehmen», erklärt Stier. In Sachsen sind Pächter oder Eigentümer von Jagdbezirken verpflichtet, vorkommende Wildtierarten einmal im Jahr online an die Jagdbehörde zu melden. Über Sichtungen oder Funde, die auf Wölfe hindeuten, muss sofort berichtet werden.
Heinz Baacke, Vizepräsident des Landesjägerverbandes Sachsen, erklärt, warum die Arbeit der Wildtierbeauftragten wichtig ist: «Es wird viel über die Wolfspopulation spekuliert, aber es gibt noch zu wenige realistische und wahrheitsbezogene Fakten.» Die Schulungen böten die Möglichkeit, belastbare Daten zu bekommen. Etwa 80 Jäger seien in Sachsen bereits ausgebildet worden. Sie deckten einen großen Teil der Jagdgebiete ab und unterstützten noch ungeschulte Kollegen.
Hundert Jahre nach seiner fast vollständigen Ausrottung ist der mittlerweile streng geschützte Wolf wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Im Jahr 2000 wurde in der Lausitz das erste Rudel nachgewiesen. Mittlerweile sind es 17 in ganz Deutschland, davon allein 10 in Sachsen. «Ob das noch aktuell ist, ist allerdings die Frage», sagt Baacke. «Mit Hilfe der Wildtierbeauftragten müssen wir prüfen, ob es sich wirklich so rasant entwickelt.»
Wie die meisten Seminarteilnehmer glaubt auch André Jörke aus der Dübener Heide, dass er sein Revier bereits mit dem Wolf teilt. «Wir denken, dass in unserem Gebiet Wölfe sind, es wurde nur noch nicht dokumentiert», sagt der Hobbyjäger und Elektrotechnikmeister. Deshalb nehme er an dem Seminar teil.
Höhepunkt beim praktischen Teil der Schulung ist der unerwartete Fund von Losung am Rand des Weges. Im Gegensatz zu den Pfotenabdrücken stammt diese mit Sicherheit von einem Wolf. Stephan Klaasche untersucht sie im engen Kreis der fotografierenden Jäger. «Wölfe verschlingen ihre Beute mit Haut und Knochen», erklärt er und nimmt den trockenen Kot auseinander. «Wahrscheinlich war’s ein Wildschein.»
Christiane Raatz, Lisa Neugebauer, dpa